Rechtsanwältin Claudia Stachecki, LL.M.

Expertin für Strafrecht und Verkehrsrecht in Mönchengladbach (Rheydt)

WAS TUN BEI UNTERSUCHUNGSHAFT?

1. Tipps für Betroffene

Zunächst einmal gilt bei einer Untersuchungshaft nichts anderes als in anderen Bereichen des Strafverfahrens auch: Keine Aussage ohne vorherige Akteneinsicht und Rücksprache mit einem Strafverteidiger. Bewahren Sie Ruhe und informieren Sie den Anwalt Ihres Vertrauens. Leisten Sie auf keinen Fall Widerstand.

Seien Sie auch in der U-Haft vorsichtig und sprechen Sie ausschließlich mit Ihrem Verteidiger über die vorgeworfene Tat. Mithäftlinge können unter Umständen als Zeugen gehört werden und sodann zu Ihrer Überführung beitragen. Lass Sie sich unter keinen Umständen von den Polizeibeamten oder der Staatsanwaltschaft zu einem frühen Geständnis überreden und gehen Sie keine Deals ein, ohne zuvor mit Ihrem Anwalt gesprochen zu haben. 

Einmal gemachte Aussagen können nicht bzw. nur schwer rückgängig gemacht werden. 

Achten Sie auch bei der Kommunikation mit Ihren Angehörigen bei Besuchen, Telefonaten und Briefen darauf nichts über die Tat zu offenbaren. Ihre Briefe und Gespräche werden in der Regel überwacht und sind daher keinesfalls vertraulich. Dies gilt nur für die Korrespondenz mit Ihrem Verteidiger.

2. Tipps für Angehörige

Als Angehöriger sollten Sie überprüfen oder überprüfen lassen, ob Ihnen das Recht zusteht die Aussage zu verweigern. Kontaktieren Sie für Ihren Angehörigen, sollte dieser die Möglichkeit nicht gehabt haben, unverzüglich einen guten Strafverteidiger. Am besten wenden Sie sich an einen Fachanwalt für Strafrecht; dieser hat die notwendige Erfahrung und auch die Qualifikation und wird sich umgehend um die Sache kümmern.

Auch wenn der Schock im ersten Moment sicherlich auch Enttäuschung gegenüber dem Inhaftieren mit sich bringt, sehen Sie von Schuldzuweisungen ab und versuchen Ihren Angehörigen zu unterstützen, so können Sie z.B. einen Brief an ihn schreiben und ihm darin Ihre Unterstützung zusichern.

In der Regel wird der Beschuldigte in der am Ort der Festnahme zuständigen JVA inhaftiert. Sollten Sie dies aber genau wissen wollen, so helfen Ihnen als Angehörige auch die Polizei oder die Staatsanwaltschaft weiter.
Ebenso können Besuche und Telefonate mit dem Beschuldigten für diesen eine Ermutigung bedeuten und daher hilfreich sind. Meist muss dies jedoch vorher beantragt werden, wobei ich Ihnen gerne behilflich bin.
Die Übergabe von Paketen bei Besuchen Ihres Angehörigen ist nicht möglich, jedoch ist es in einigen Bundesländern und JVAs möglich, Pakete an den Gefangenen zu senden. Hierzu benötigen Sie eine sogenannte "Paketmarke", die der Inhaftierte zuvor beantragen muss. Klären Sie zudem bitte im Vorfeld welche Inhalte erlaubt sind am besten durch einen Anruf in der JVA.

Ebenso wenig ist Bargeld ist der JVA geduldet; allerdings steht jedem Inhaftierten ein Haftkonto zur Verfügung auf welches Sie Geld einzahlen können, welches sodann Ihrem Angehörigen zur Verfügung steht um z.B. Briefmarken, Kaffee, Tabak oder auch die Leihgebühr für den Fernseher zu bezahlen.

3. Wann komme ich in Untersuchungshaft (U-Haft)?

Die Untersuchungshaft, auch U-Haft genannt, wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft angeordnet, wenn gegen den Betroffenen ein dringender Tatverdacht besteht, ein Haftgrund vorliegt und die Untersuchungshaft verhältnismäßig ist. Grundsätzlich ist sie immer dann möglich, wenn eine Freiheitstrafe von über sechs Monaten oder eine Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen Geldstrafe droht. Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn davon ausgegangen werden kann, dass aufgrund bestimmter Tatsachen (Beweise) eine große Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Straftat begangen hat.

Neben diesem dringenden Tatverdacht muss zudem auch ein Haftgrund vorliegen; hierbei kommen folgende Haftgründe in Betracht:

  • Flucht oder Fluchtgefahr: Dieser Haftgrund liegt vor, wenn sich der Beschuldigte dem Strafverfahren bereits entzogen oder eine Flucht vorbereitet hat, oder aber damit zu rechnen ist, dass er sich dem Verfahren durch Flucht entziehen wird. Häufig wird dies schon deshalb angenommen, weil der Beschuldigte Kontakte ins Ausland pflegt oder keinen festen Wohnsitz bzw. Aufenthalt in Deutschland hat.
  • Verdunkelungsgefahr: Diese liegt vor, wenn die Ermittlungsbehörde annimmt, dass der Beschuldigte auf Beweismittel einwirkt, um die Aufklärung der Straftat zu verhindern oder zu erschweren, z.B. durch Einflussnahme auf Zeugen oder den Versuch Beweise bei einer Hausdurchsuchung verschwinden zu lassen.
  • Wiederholungsgefahr: Sind die Ermittlungsbehörden der Auffassung, dass von dem Beschuldigten eine besondere Gefahr ausgeht und mit weiteren schweren Straftaten gerechnet werden kann, wird die Wiederholungsgefahr als Haftgrund bejaht. Beachten Sie, dass die Delikte, bei denen der Haftgrund der Wiederholungsgefahr angewendet werden kann in § 112 a StPO geregelt sind.

Darüber hinaus gibt es noch weitere besonders schwere Straftaten, bei denen die Untersuchungshaft auch ohne das Vorliegen von Haftgründen angeordnet werden kann. Hier zählen z.B. Völkermord (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Völkerstrafgesetzbuch), Verbrechen der Aggression (§ 13 Abs. 1 Völkerstrafgesetzbuch), Bildung terroristischer Vereinigung (§ 129a StGB), Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176c StGB), Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge (§ 176d StGB), Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), schwere Körperverletzung (§ 226 StGB), besonders schwere Brandstiftung (§ 306b), Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c), Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB).

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gibt es zwei Möglichkeiten, wie ein Beschuldigter in Untersuchungshaft kommt.

  • Es erfolgt eine vorläufige Festnahme durch die Polizei mit anschließender Haftrichtervorführung; der Haftbefehl wird sodann vom Haftrichter erlassen; oder:
  • Die Polizei sucht den Beschuldigten gezielt zu Hause oder am Arbeitsplatz auf, da der Haftbefehl bereits zuvor durch die Staatsanwaltschaft beantragt und seitens des Gerichts erlassen worden ist

Erfolgt eine Festnahme so muss der Verdächtigte innerhalb 24 Stunden einem Richter vorgeführt werden.
Beim Haftrichter wird auch die Sicht des Beschuldigten angehört – auch hier gilt: keine Angaben ohne Rücksprache mit dem Verteidiger. Anschließend ergeht sofort eine Entscheidung, wie weiter zu verfahren ist. Hierbei gibt es folgende Möglichkeiten:

  • Der Haftbefehl bleibt aufrecht erhalten und es erfolgt eine Verbringung in die JVA
  • Es erfolgt eine einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (dies erfolgt stets dann, wenn der Verdacht besteht, der Betroffene habe im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit eine Straftat begangen)
  • Der Haftbefehl wird vorläufig unter Auflagen außer Vollzug gesetzt
  • Der Haftbefehl wird ausgesetzt

Jeder Betroffene möchte den Zustand der Untersuchungshaft verständlicherweise schnellstmöglich beenden. Hierbei wird oft der Irrglaube vertreten, dass die Untersuchungshaft nach maximal 6 Monaten enden würde. Dem ist jedoch nicht so. Verfahren, in denen ein Betroffener sich in Untersuchungshaft befindet, sind zwar beschleunigt zu bearbeiten und zu terminieren. Dennoch kann es durchaus vorkommen, dass sich betroffene länger als 6 Monate in U-Haft befinden.

Gegen den Haftbefehl stehen grundsätzlich zwei Rechtsbehelfe zur Verfügung, die Haftprüfung und die Haftbeschwerde.

Den Antrag auf Haftprüfung kann der Betroffene selbst oder mithilfe seines Rechtsanwalts stellen. Der Haftprüfungstermin muss unverzüglich, somit spätestens zwei Wochen nach Antragstellung, stattfinden. In diesem Termin findet eine mündliche Anhörung vor dem zuständigen Ermittlungsrichter unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. In den meisten Fällen erfolgt die Entscheidung direkt im Anschluss, sie kann aber bis zu einer Woche hinausgezögert werden. Im Rahmen der Haftprüfung wird die Sach- und Rechtslage umfassend bewertet. Hier ist es zu empfehlen auf einen guten Rechtsanwalt für Strafrecht zurückzugreifen – dieser erkennt recht schnell Mängel des Haftbefehls oder findet Möglichkeiten zumindest eine vorläufige Außervollzugsetzung zu erreichen.

Eine andere Option bietet die Haftbeschwerde. Hier erfolgt eine Überprüfung des Haftbefehls durch die nächsthöhere Instanz. Allerdings findet hier keine mündliche Verhandlung statt, sondern die Argumente gegen den Haftbefehl müssen bereits in der Beschwerde dargelegt werden. Es ist daher nicht zu empfehlen einen solchen Antrag selbst ohne einen Verteidiger einzureichen. Die Erfolgsaussichten sind in der Praxis auch deutlich schlechter als bei einer Haftprüfung. Zudem ist zu beachten, dass Haftprüfung und Haftbeschwerde nicht gleichzeitig eingelegt werden dürfen.

Wie Sie den Ausführungen entnehmen können, gibt es gerade in Fällen der U-Haft eine Menge zu beachten. Daher sollten Sie auf jeden Fall einen Fachanwalt für Strafrecht beauftragen, welcher schon bei der Verkündung des Haftbefehls zugegen ist. Bereits zu diesem Zeitpunkt kann der Antrag auf Haftprüfung verbunden mit dem Antrag auf Akteneinsicht gestellt werden.

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